Ein paar zugbegeisterte Fotografen lassen die letzten betriebsfähigen Dampfloks durch Burma rollen und inszenieren das Land als nostalgischen Sehnsuchtsort, den es längst nicht mehr gibt.
Beinahe hätte der Mann mit dem Strohhut den am Bahnübergang wartenden Ochsenkarren übersehen, der für ihn den Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Motiv ausmacht. Aber eben nur beinahe. „Kyi Kyi“, Bernd Seiler hält die Sprechtaste seines Funkgeräts gedrückt und lässt den noch ahnungslosen Bauern und sein Viehgespann dabei nicht aus den Augen: „Bring den Karren zum Gleis, sprich mit dem Mann.“ Auf der anderen Seite des Bahnübergangs setzt sich die burmesische Dolmetscherin in Bewegung. Seiler steht auf einer Trittleiter und schaut prüfend zu seiner Assistentin hinüber, zufrieden für den Moment. Dann dreht er sich herum und kündigt seiner Reisegruppe an, „Gentlemen, es folgt eine weitere Zugdurchfahrt. We will have another run!“
Es ist Mitte Dezember, Winter in Burma und die 25-köpfige Touristentruppe schwitzt. Einige Kilometer nordwestlich der Metropole Rangun ist der bengalische Golf bereits so weit entfernt, dass kaum kühlender Wind über die aufgeheizte Landschaft streicht. Doch nicht nur die dreißig Grad machen Seiler und den anderen zu schaffen: An Nacken, Schultern und Hüfte zerren viele Kilogramm Fotoausrüstung, die nun rasch in Stellung zu bringen sind. Denn Kyi Kyi, die Übersetzerin, hat das nächste Spektakel schon organisiert. Der Bauer hat von ihr Anweisungen und Geldscheine bekommen und steht nun bewegungslos, um Authentizität bemüht und etwas ratlos blickend mit seinem Ochsenkarren am Bahngleis, als ein schrilles Pfeifen über das gedämpfte Gemurmel der Fotografen fegt und sich in rund hundert Meter Entfernung eine der letzten Dampfloks Burmas schwerfällig in Bewegung setzt.
„Das ist nichts anderes als Hollywood“, zuckt Seiler mit den Schultern und wenn das stimmt, dann ist der gebürtige Ostberliner nicht nur Reiseleiter, sondern auch Regisseur und als solcher heute für zwei Dutzend Kameramänner verantwortlich. „Man kann in Burma Szenen nachstellen, die es so vor zwanzig, dreißig Jahren gegeben hat“, sagt er, und dann, anerkennend, „es gibt immer noch Ecken, wo kein Mobilfunkmast in der Gegend steht, wo keine Reklame ist. Und die Strecken sind größtenteils unangetastet. Alles verkrautet und mit mechanischen Signalen ausgerüstet.“
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