Sammy Samuels ist der letzte Verwalter jüdischen Erbes in Myanmar. Zum Lichterfest Hanukkah bekommt er Besuch aus der Vergangenheit und blickt in eine doppelt unsichere Zukunft.
Avi Solomon will seine Familiengeschichte erzählen, doch kommt nicht dazu. Neben ihm in der Synagoge sitzt Sally Tuvel und balanciert auf ihren Knien das Geburtenregister der jüdischen Gemeinde Yangons. “Avi, mach davon mal ein Foto — das hier ist dein Großvater”, unterbricht sie seine Erzählung und tippt auf einen Eintrag. Also fotografiert Avi, ehe Sallys Finger weiter prüfend durch die Seiten des Registers streichen.
Ein halbes Dutzend Ventilatoren wälzt die schwüle Luft in der Musmeah Yeshua Synagoge umher und obwohl es Winter in Myanmar ist, stehen die Menschen im Schweiß. Der warme Vormittag ist Vorbote eines heißen Tages und die Besucher aus Australien, Großbritannien und den USA steckt bereits der Aufstieg zur Shwedagon-Pagode in den Beinen. Doch es ist auch Aufregung, die den Puls treibt und in den Schweiß mischen sich Tränen der Rührung, während sie ihre eigene Herkunft erkundend durch die Synagoge gehen.
Den Besuch der elfköpfigen Reisegruppe hat Sammy Samuels organisiert. Der Burmese trägt Hemd und eine zierliche Brille, die er immer wieder hochschiebt, um das Gesicht abzutupfen. Samuels leitet eine Reiseagentur und ist nicht nur einer der wenigen noch in Myanmar lebenden Juden, sondern auch der inoffizielle Sprecher der kleinen Gemeinde. Heute hat er alle Hände voll, seine Gäste durch Yangon zu navigieren. Pagode, Synagoge, Friedhof, Downtown und Abendveranstaltung. Der Tag ist so lang wie das Programm voll. Und so muss man sich Samuels als zuweilen einsamen aber auch glücklichen Menschen vorstellen. Denn obwohl die Synagoge täglich rund 30 Touristen anzieht, gibt es nur zu hohen jüdischen Feiertagen einen Gottesdienst — die wenigen Dutzend noch in Myanmar lebenden Juden, kommen ansonsten nur selten zusammen.