Kateryna Oman hört den Krieg schon gar nicht mehr, obwohl er so nah ist. Besuch bei Menschen an der Frontlinie im Osten der Ukraine
Als das erste Mal an diesem Tag eine Explosion zu hören ist, steht Kateryna Oman am Pavillon der Verliebten. Dort wo sich am Abend die Menschen von Novhorodske treffen, döst im Moment nur eine Katze in der Mittagssonne. “Die liebt nur sich selbst”, sagt Kateryna Oman und lacht, als wäre da eben kein Artilleriefeuer zu hören gewesen.
Auf das erste Grollen folgen zwei weitere Einschläge. Dann Stille. Der Krieg ist nah in Novhorodske. Zwei, drei Kilometer in diese Richtung, schätzt Kateryna und zeigt Richtung Osten. Die Explosionen scheinen nie weit entfernt, doch sie unterbrechen das Leben der Menschen in Novhorodske nicht mehr. Niemand geht langsamer oder schaut besorgt auf, kein Auto hält, kein Gespräch stockt.
Auch die 17-Jährige ist mit ihren Gedanken weit entfernt vom Krieg. Heute ist ihr letzter Schultag. An ihrem weißen Shirt hängen deshalb ein Glöckchen und eine blau-gelbe Schleife in den ukrainischen Nationalfarben. Jedes Mal wenn sie einen Tanzschritt macht, klingt es hell durch den Park. Auf sie und ihre Freunde warten jetzt die großen Sommerferien.
Der Pavillon der Verliebten ist ein kleiner Platz mit Bänken direkt neben dem Kindergarten der Kleinstadt inmitten einer von Bäumen gesäumten Grünanlage. Früher wohnten in Novhorodske 24.000 Menschen, heute sind es halb so viele. Denn auch wenn die Menschen sich an den Krieg gewöhnt haben, schreckt er doch Investoren ab. So verschwanden erst die Arbeitsplätze und dann die Menschen.