Suizide und Depressionen: Im post-revolutionären Ägypten leiden Menschen unter den Folgen traumatischer Gewalterfahrung und enttäuschter Hoffnungen. Auch für Psychologen und Psychiater ist die Schmerzgrenze erreicht.
Der Regen bringt den Geruch von Lehm und zieht Schlieren auf der Kleidung. Es ist schmutziges Wasser, das im Fallen den Smog aus Kairos Luft mit sich zu Boden reißt und dort fleckig gerinnt. Unter einem trüben Winterhimmel ohne sichtbaren Horizont suchen die Menschen entlang der vierspurigen Ausfallstraße Unterschlupf. Eine Bushaltestelle, ein Taxi, die überhängenden Äste eines Baums.
Die Blicke sind auf die eigenen Füße geheftet, es gibt kaum Blickkontakt, denn vor dem Abbasseya-Krankenhaus, der größten Psychiatrie Ägyptens, wollen Patienten, Angehörige und Passanten einander nicht erkennen und nicht erkannt werden. Depression, Manie, Schizophrenie: Wessen Seele leidet, der findet in Ägypten nur selten die nötige Zuwendung.
Dr. Sameh Hagag, stellvertretender Direktor der Psychiatrie im Abbasseya-Krankenhaus, weiß um diesen Mangel und kann ihn doch nur verwalten. Seine Gäste empfängt der drahtige 36-Jährige am Ende einer geschwungenen Auffahrt, die zu einem der beiden Haupttrakte der Einrichtung führt.
Historische Gebäude, errichtet am Ende des 19. Jahrhunderts, deren verblassender Grandeur mit meterhohen, aus hellem Stein geschlagenen Säulen es doch nicht gelingt, die Baufälligkeit der Anlage zu kaschieren. Da stecken weggeworfene Stühle in frisch aufgeworfenem Erdreich, kaputte Kühlschränke fangen den Staub schon im Eingangsbereich der Klinik und Hagags Büro ist mit seiner niedrigen Decke und dem kleinen Fenster kaum noch bescheiden zu nennen.